Einheitliche Auslegung von E-STATCOM

Die einheitliche Spezifikation der E-STATCOM-Kennzahlen soll dazu beitragen, den Bau von E-STATCOM-Anlagen rascher vorantreiben zu können.

Aufbau von E-STATCOM in Deutschland

Im Dezember 2020 haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) den Bedarf an netzbildendenden STATCOM-Anlagen beschrieben. Dabei wurde zwischen Stufe 1 zur Bereitstellung dynamischer Blindleistung und Stufe 2 zur Bereitstellung von dynamischer Blindleistung und Momentanreserve unterschieden.  

Für netzbildende STATCOM der Stufe 2, eine auf Leistungselektronik basierende dynamische Blindleistungskompensationsanlage aus der Gruppe der FACTS, wird in einschlägiger Literatur1 der Begriff Energy STATCOM (E-STATCOM) verwendet. Durch zusätzliche Integration eines Kurzzeitenergiespeichers werden E-STATCOM in die Lage versetzt, kurzzeitige Lastschwankungen auszugleichen und damit neben Spannungsstabilisierung dem Netz auch Momentanreserve bereitzustellen.

Neben dem Kurzzeitenergiespeicher ist eine netzbildende Regelung des STATCOM eine notwendige Voraussetzung, damit ein E-STATCOM Spannungsstabilisierung und Momentanreserve bereitstellen kann. Ausführungen zu einer netzbildenden STATCOM der Stufe 1 finden Sie bei IRasool Heydari et. all.2, bei den Grundlegenden Anforderungen der ÜNB an netzbildende Umrichter und im Draft Final Report der Expert Group ACPPM sind grundlegende Eigenschaften netzbildendender Anlagen beschrieben.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat einen erheblichen Momentanreservebedarf bestätigt. Im Folgenden haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber mit der Umsetzung begonnen.

Aufgrund der großen Zahl an Anlagen und aufgrund des hohen Zeitdrucks, der durch die Energiewende entsteht, wollen die Übertragungsnetzbetreiber den Bau der Anlagen schnell und effizient gestalten. 

Eine Maßnahme für eine hohe Effizienz ist Standardisierung. Grundsätzlich ist Standardisierung immer ein Abwägen zwischen einem Effizienzgewinn durch Vereinheitlichung von vielen Anlagen und einem Effizienzverlust, da jede einzelne Anlage nicht mehr optimal auf die spezifischen Gegebenheiten angepasst werden kann. Aufgrund der räumlichen und technischen Gegebenheiten ist daher keine vollständige Vereinheitlichung der Anlagen möglich, die Übertragungsnetzbetreiber haben aber das Ziel, einen möglichst hohen Grad an Standardisierung zu erreichen. 

Standardisierungen der vier ÜNB

Unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten im Netz wurden die wichtigsten Kennzahlen der E-STATCOM-Anlagen identifiziert und einheitliche Werte für zukünftige Projekte in Deutschland definiert

Leistungskennzahlen

Tabelle 1: Einheitliche Kennzahlen für E-STATCOM der deutschen ÜNB 

SNennbzw. SmaxGleichzeitigkeitsgrenzen (Minimalanforderung)Speicher in MWs @P2RoCoF2 in Hz/sP1 in MW @1Hz/sP2 in MW @2Hz/sQn in MvarTA,P in sTrägheitsbeitrag in GWs
300Pg in MW: 75, Qg in Mvar: 290375*27515030050 bezogen auf 75 MW1,875

* Für einen Betrieb innerhalb der Frequenzgrenzen von 47,5 Hz bis 52,5 Hz

-SNenn bzw. Smax: Maximale Scheinleistung, für welche die Anlage mit deren Komponenten ausgelegt ist.

-Gleichzeitigkeitsgrenzen: Aufgrund der Umrichtertopologie kann typischerweise die maximale Wirkleistung und die maximale Blindleistung nicht gleichzeitig abgegeben werden, das Leistungsvermögen ist voneinander abhängig, das P-Q-Diagramm der Anlage ist kreisförmig oder elliptisch. Für den netztechnischen Nutzen der E-STATCOM-Anlagen ist es notwendig, dass Wirkleistung und Blindleistung gleichzeitig bereitgestellt werden. Es muss daher definiert werden, bis zu welcher Grenze dies mindestens möglich sein muss. 
Pg in MW: Wirkleistung, die gleichzeitig zur Blindleistung Qg erbracht werden muss. 
Qg in Mvar: Blindleistung, die gleichzeitig zur Wirkleistung Pg erbracht werden muss.

-Speicher in MWs@P2: Die Speichergröße wird einheitlich definiert. Da bei manchen Topologien aufgrund des Innenwiderstands des Kurzzeitenergiespeichers der nutzbare Energieinhalt des Kurzzeitenergiespeichers von der Entlade- bzw. Ladeleistung abhängt, wird die Speichergröße mit einer Lade-/Entladeleistung definiert und versteht sich als Energie, die dem AC-Netz zur Verfügung gestellt werden kann.

-RoCoF2: Netzfrequenzänderung (rate of change of frequency, RoCoF) für den maximalen Momentanreserveabruf der E-STATCOM-Anlage.

-P1: Momentanreserveabruf für eine Frequenzänderung von 1 Hz/s gemäß der Auslegungsgrenze des implementierten Systemschutzplans der kontinentaleuropäischen Synchronzone.

-P2: Momentanreserveabruf für eine Frequenzänderung von 2 Hz/s, für lokal höhere Frequenzänderung über der Auslegungsgrenze. Maximal mögliche Wirkleistung. Aus dem Energieinhalt des Speichers und des maximalen Momentanreserveabrufs P2 ergibt sich die maximale Bereitstellungsdauer der Wirkleistung zu 375 MWs/150 MW = 2,5 s. Bei einem Ausgangsladezustand von 50% bei 50Hz ergibt sich eine Lade-/Entladedauer bei 2Hz/s von 1,25 s bis zum Erreichen von 47,5 Hz bzw. 52,5 Hz.

-Qn in Mvar: Nennwert der Blindleistung. Die maximal dauerhaft abgebbare Blindleistung Qmax wird auf den selben Wert festgelegt.

-TA,P in s: Die vorgesehene Einstellung für die Netzanlaufzeitkonstante über die der Momentanreservebeitrag festgelegt wird.

-Trägheitsbeitrag in GWs: Trägheitsbeitrag, der sich aus der Netzanlaufzeitkonstante sowie der Bezugsleistung ergibt. Für den Leistungsbezug wurde P1 festgelegt. Daher ergibt sich der Trägheitsbeitrag = 1/2 * TAN * P1. Dieser Trägheitsbeitrag ist der Beitrag einer einzelnen Anlage zu dem Momentanreservebeitrag, der durch das Transportnetz zu erbringen ist.

Weitere Festlegungen

Der Kurzzeitenergiespeicher ist mindestens für eine Lebensdauer von 20 Jahren auszulegen. 

Die Verfügbarkeit der E-STATCOM muss weiterhin im Bereich der von den deutschen ÜNB bisher geforderten Werte für STATCOM-Anlagen liegen.  

Umsetzung

Die vier Übertragungsnetzbetreiber streben an, die Standard-Kennzahlen ab sofort anzuwenden. Schon vor Baubeginn durchlaufen die Anlagen eine Vielzahl von Planungsphasen, die mit dem Netzentwicklungsplan beginnend viele Jahre in die Zukunft gehen. Deswegen muss im Einzelfall geprüft werden, welche Anlagen auf die Standard-Kennzahlen umgeplant werden können. Für bereits vergebene Anlagen ist eine Anpassung nicht zu erwarten. 

Download

Sämtliche Informationen zur einheitlichen Spezifikation der E-STATCOM-Kennzahlen stehen in deutscher und in englischer Sprache auch als Download zur Verfügung. 

1 z.B. Tobias Engelbrecht et. all., STATCOM Technology evolution for tomorow’s grid: E-STATCOM, STATCOM with supercapacitor-based active power capability, IEEE Power and Energy Magazine (Volume 21), 2023, DOI: 10.1109/MPE.2022.3230969

2 Rasool Heydari et. all., Grid-Forming control for STATCOMs – a robust solution for networks with a high share of converter-based resources, Cigre Session Paris, 2022